Kommst du auch oft völlig "gerädert" von einer Radtour zurück? Nacken, Arme, Schultern, Beine: Alles schmerzt, spätestens am Folgetag? Statt nach der Fahrt direkt zum Kühlschrank oder unter die Dusche zu stürmen, gewöhn dir einfach an, dich zuvor mit etwas Stretching um deine verkürzten Bänder und Muskeln zu kümmern. Du wirst schnell merken, wie gut das tut. So kannst du am nächsten Tag wieder frisch loslegen. Voraussetzung ist allerdings ein regelmäßiges Dehnprogramm. Auch mit einem Aufwand von nur fünf Minuten ist schon viel an verbesserter Beweglichkeit gewonnen.
Wie sinnvoll ist das Dehnen wirklich?
Der Nutzen des Dehnens ist aus sportwissenschaftlicher Sicht nicht eindeutig erwiesen und sicher individuell anpassbar. Auch der richtige Zeitpunkt ist umstritten. Oft wird aber empfohlen, sich nach der Belastung zu dehnen, wenn Bänder und Sehnen noch warm sind.
Wissenschaft hin oder her, es ist sicher etwas dran am Dehnen, wenn so viele Sportler*innen aus dem Hobby- wie auch Profibereich darauf schwören. Probier es doch einfach aus und finde heraus, ob du dich danach besser fühlst, denn in den meisten Fällen ist das so. Wir würden uns der Empfehlung vieler Fachleute anschließen, deine Muskeln zuvor aufzuwärmen. Und welcher Zeitpunkt könnte da besser sein als im Anschluss an eine Runde auf dem Rad? Laufen oder sonstige Bewegung zählen natürlich auch. Wichtig ist, dass dein Kreislauf zuvor beansprucht wurde. Vor allem solltest du langsam beginnen und nicht übertreiben. Ein leichtes Ziehen ist in Ordnung, aber es sollte nicht schmerzhaft werden.
Du wirst nach einer längeren Radtour bestimmt schon festgestellt haben, dass besonders der Nacken schmerzt und dir die Beine wehtun. Unsere Übungen kümmern sich genau um diese Bereiche. Es gibt statische und dynamische Übungen und diese sollten zwischen 30 bis 45 Sekunden gehalten werden. Wenn es dir anfangs zu anstrengend ist, darf es auch kürzer sein, länger ist gar nicht nötig.
Regelmäßigkeit ist wichtig, deshalb schlag doch zwei Fliegen mit einer Klappe und nutze Alltagssituationen, wie zum Beispiel beim Kochen …
Am wichtigsten für einen positiven Effekt auf die Muskulatur ist es, eine Routine zu entwickeln. Idealerweise dehnst du täglich. Wenn du deine Übungen in den Alltag integrierst, hast du nicht einmal Zeit verloren. Vorausgesetzt du hast dich vorher aufgewärmt, kannst du das kleine Programm auch bewältigen, während du telefonierst, auf etwas wartest oder fernsiehst. Ideal ist es nach der Pendelfahrt oder Ausfahrt mit dem Rad.
Dehnübungen für Nacken und Schultern
In der ersten Übung widmen wir uns dem Nacken- und Schulterbereich, der oft stark verspannt ist. Das kommt nicht nur vom Radfahren, sondern auch von der Büroarbeit. Die Ausgangposition ist ein gerader und entspannter Stand. Lass die Schultern nach unten fallen. Drehe jetzt den Kopf nach rechts und winkle den rechten Arm an (in etwa wie ein Läufer bei der Sprintbewegung). Mit der linken Hand greifst du über den Kopf, um diesen leicht nach hinten zu ziehen. Die Dehnung sollte nun im Nacken- und Schulterbereich spürbar sein. Der Effekt wird noch verstärkt, wenn du den rechten Arm nach unten ziehst, aber, wie ober bereits erläutert, genügt ein leichtes Ziehen und das halten der Position für 30 bis 45 Sekunden. Nun löst du die Dehnung in umgekehrter Reihenfolge und führst sie auf der anderen Körperseite aus.
Ausgangsposition
Kopfdrehung nach rechts, …
… angewinkelter Arm, …
… Griff über den Kopf und vorsichtig ziehen, …
… auf der anderen Seite wiederholen
Dehnübungen für die Oberarme
Jetzt ist der Trizeps an der Reihe, denn den hinteren Teil des Oberarms beanspruchst du beim Abstützen auf dem Lenker stark. Du kannst dich für die Übung hinsetzen oder sie im Stand durchführen. Zuerst führst du die Hand deines rechten Arms hinter deinen Kopf. Hierbei sollte der Ellenbogen so spitz wie möglich gemacht werden. Ziehe nun mit dem linken Arm deinen Ellenbogen in Richtung Kopf. Hierbei sollte sich ein leichtes Ziehen im äußeren Bereich des rechten Arms bemerkbar machen.
Ausgangsposition
Linker Arm wird hinter den Kopf geführt, …
… rechte Hand zieht Ellenbogen nach links, …
… auf der anderen Körperseite durchführen.
Dehnübungen für das Becken
Natürlich sind es vor allem die Oberschenkel und Waden, die am stärksten beansprucht werden, aber unterschätze den Rumpf nicht. Die Stabilität auf dem Rad wird größtenteils im Hüftbereich erzeugt. Auch wenn wir das Gefühl haben, dass diese Region beim Radfahren passiv ist, leistet sie doch einen sehr wichtigen Beitrag zur permanenten Stütz- und Haltearbeit.
In unserer ersten Übung dazu gehst du in den Stand und kreuzt die Beine wie ein X voreinander. Stelle sicher, dass du die richtige Balance findest. Hebe jetzt den rechten Arm und schiebe die Hüfte nach rechts vor. Gleichzeitig bewegst du dich mit dem Oberkörper und dem gestreckten Arm nach links. Idealerweise hältst du auch hier die Dehnung für 45 Sekunden, bevor du die Seite wechselst.
Beine überkreuzen, rechter Arm wird über den Kopf gehoben, Becken nach rechts rücken, ...
… auf der anderen Körperseite durchführen
Eine besonders wichtige Partie im Beckenbereich ist der Hüftbeuger. Dieser neigt beim Radfahren und Sitzen sehr stark zum Verkürzen. Du kannst ihn sehr gut mit einer dynamischen Übung, nämlich mit einem Ausfallschritt nach vorne, dehnen. Führe den Schritt kontrolliert aus, indem du den vorderen Fuß komplett auf den Boden stellst, während der hintere Fuß nur mit dem Ballen Bodenkontakt hat. Führe den Schritt soweit aus, dass du die Spannung im Beckenbereich spürst. Eine dynamische Dehnung bedeutet keinesfalls, dass du bei der Bewegung wippen sollst. Dreh nun den Oberkörper und deine Arme nach rechts oder links und halte kurz die Spannung. Dieses Mal nicht für 30 bis 45 Sekunden, sondern wirklich nur kurz. Diese Figur wird dann rückwärts wieder aufgelöst und auf der anderen Körperseite mit dem anderen Fuß vorne wieder durchgeführt. Diese Wechsel solltest du mehrmals wiederholen.
Ausgangsposition
Ausfallschritt nach vorne, …
… führe deine Arme vor dem Körper zusammen, …
… drehe den Oberkörper nach links …
… und nach rechts
Der "Scheibenwischer" stellt eine weitere dynamische Dehnübung für die Hüfte dar. Lege dich mit ausgestreckten Armen rücklinks auf den Boden und hebe deine Beine senkrecht nach oben. Idealerweise sollten Oberkörper und Beine nun im rechten Winkel zueinanderstehen, wenn du die Beine nicht ganz durchstrecken kannst, ist es aber auch nicht schlimm. Jetzt schwenkst du die Beine, eben wie bei einer Scheibenwischerbewegung, langsam von links nach rechts oder umgekehrt. Dabei sollte dein Oberkörper ruhig auf dem Boden liegen bleiben und die ausgestreckten Arme sollen bei der Stabilisierung helfen.
Ausgangsposition
Mit angewinkelten Beinen hinlegen, …
… Beine inklusive Rumpf nach links schwenken, …
… und nach rechts.
Ein rechter Winkel zwischen Oberkörper und Beinen wäre ideal, ist aber anfangs schwierig.
Dehnübungen für die Beine
Jetzt kommen wir zu den von Radfahrer*innen am stärksten beanspruchten Körperpartien, den Beinen. Zuerst widmen wir uns der klassischen Dehnung des Oberschenkelstreckers. Hier kommt eine Übung, die du wahrscheinlich noch aus dem Sportunterricht kennst.
Stell dich auf das eine Bein und zieh das andere am Fußgelenk nach hinten. Verharre in dieser Stellung. Sieh allerdings zu, dass du den Fuß nicht überstreckst, weil du ihn eventuell zu weit vorne greifst. Versuche gerade zu stehen, auch wenn die Spannung sehr stark ist. Mach keine Ausweichbewegung und sieh zu, dass die Knie eng beieinander sind.
Ausgangsposition
Angewinkeltes rechtes Bein Richtung Gesäß ziehen, …
… dasselbe für das linke Bein wiederholen.
Die Knie sollten eine Linie bilden und der Oberkörper gerade gehalten werden
Nun widmen wir uns dem Gegenspieler: dem Oberschenkelbeuger. Dementsprechend fällt die Dehnübung andersherum aus. Stell dich wieder auf ein Bein, winkle das andere an und zieh es auf Hüfthöhe nach oben, indem du das Bein unterhalb des Knies greifst. Diese Dehnung sollte sich auch spürbar auf den Gluteus Maximus (den Pomuskel) auswirken. Lehn dich an eine Wand, wenn es dir schwerfällt, das Gleichgewicht zu halten.
Ausgangsposition
Angewinkeltes Bein im Stand mit den Händen Richtung Brust ziehen …
… dasselbe für das linke Bein wiederholen.
Wiederum versuchen, den Oberkörper gerade zu halten.
Nun dehnen wir die Waden. Such dir eine Wand oder einen festverankerten Widerstand und stemme dich im Stand mit den Händen dagegen. Jetzt machst du einen Ausfallschritt nach hinten und drückst das hintere Bein durch, sodass die Hacke Richtung Boden zieht. Diese Position wiederum halten, während du die Spannung in der Wade spürst und dann die Seite wechseln.
Gegen ein unbewegliches Hindernis stemmen, …
… und zu dehnendes Bein durchstrecken. Dasselbe für das andere Bein wiederholen
Auch die Beininnenseiten sollten nicht vergessen werden. Hierzu gibt es eine dynamische Dehnübung: Ausgangsposition ist der gerade Stand, dann folgt ein seitlicher Ausfallschritt mit Gewichtsverlagerung nach rechts. Knick das rechte Bein langsam ein und streck das linke Bein langsam aus. Wenn das Bein vollständig ausgestreckt ist, sollte die Position wieder einen Moment gehalten werden, bevor du auf die andere Seite wechselst. Auch in der mittleren Position, in der beide Beine gestreckt sind, sollest du kurz verharren.
Ausgangsposition
Seitlicher Ausfallschritt...
...ein Bein durchstrecken, das andere anwinkeln. Seitenwechsel
Abschließend möchten wir dir noch eine Yoga-Übung vorstellen, nämlich den "Herabschauenden Hund". Zuerst geht es in den Vierfüßler-Stand, wobei die Hände genau unter den Schulten stehen und die Knie mit den Händen und Füßen eine Linie bilden sollten. Nun richtest du das Becken auf, indem du dich mit den Händen und Füßen in den Boden drückst. Idealerweise siehst du nun in der Seitenansicht wie ein Dreieck aus. Versuch, mit dich mit den Hacken dem Boden zu nähern und die Position für ein paar Sekunden zu halten.
Vierfüßler-Stand. Becken aufrichten und Hacken nach unten drücken
Da viele Übungen beidseitig ausgeführt werden, kommt bei der Ausübung aller Übungen hintereinander mit mehreren Wiederholungen natürlich mehr Zeitaufwand als fünf Minuten zusammen. Dennoch lohnt sich die Investition und wenn du die Übungen, wie vorgeschlagen, während unvermeidlicher Wartezeiten durchführst, hast du doppelt gewonnen und wirst beim Radfahren noch mehr Spaß haben.